Christoph Martin Wieland (1733-1813)

Von Kerstin Bönsch, Leiterin des Wieland-Archivs Biberach

Wieland war für eine Zeit lang der meist gelesene und bestverdienende Autor. Seine Werke wurden bereits zu seinen Lebzeiten in 13 Sprachen übersetzt. Er war geschätzt, beliebt – wenngleich nicht ohne Kritiker – und ein Vorbild für zahlreiche literarische Bewegungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Johann Wolfgang von Goethe verehrte Christoph Martin Wieland so sehr, dass er alle Verse seiner philosophischen Erzählung Musarion auswendig lernte und ihm für sein Versepos Oberon einen Lorbeerkranz als Dichterkrone zukommen ließ.

 

Ohne Wieland keine deutsche Klassik

Leider hat der ehemalige Ruhm Christoph Martin Wielands verglichen mit dem Schillers und Goethes in unserer heutigen Zeit nachgelassen. Zu Unrecht, wie zahlreiche Beispiele belegen. Christoph Martin Wieland gilt als literarischer Reformator in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Mit seinen Shakespeare-Übersetzungen popularisierte er die englische Literatur und Kultur in Deutschland. Ebenfalls nach englischem Muster etablierte Wieland mit seinem Roman Geschichte des Agathon den Bildungsroman in Deutschland, der später auch Goethe für seinen Wilhelm Meister als Vorbild diente. Er führte 1758 mit dem Drama Lady Johanna Gray den Blankvers – einen reimlosen Vers aus fünf Jamben – ein, der in der Weimarer Klassik zum literarischen Standard der Dramen wurde. Wieland formulierte außerdem die erste Novellendefinition in Deutschland, sorgte für die Literarisierung des Märchens und war Gründer der ersten großen deutschen Kulturzeitung. Darüber hinaus prägte Wieland den Begriff und die Idee der “Weltliteratur”.

 

Wieland – ein moderner Denker

Christoph Martin Wieland sprach sich sowohl in seinen literarischen Werken als auch in zahlreichen Briefen für mehr Toleranz und Offenheit aus. Die uns noch heute bekannte Redewendung „Leben und leben lassen“ ist ein Ausspruch Wielands. Er befürwortete globales Denken und sah sich selbst als „Weltbürger“. Im Nachlaß des Diogenes von Sinope heißt es: »Und was nennst du einen Weltbürger?« Einen Menschen wie ich bin, – der, ohne mit irgend einer besondern Gesellschaft in Verbindung zu stehen, den Erdboden für sein Vaterland, und alle Geschöpfe seiner Gattung – gleichgültig gegen den zufälligen Unterschied, welchen Lage, Luft, Lebensart, Sprache, Sitten, Polizey und Privatinteresse unter ihnen machen – als seine Mitbürger oder vielmehr als seine Brüder ansieht.“ Gleichzeitig setzte sich Wieland für die Pressefreiheit und freien Meinungsaustausch ein. Dabei betonte er, dass es in der Pressearbeit nicht darum gehe, vorgefertigte Meinungen abzubilden, sondern den Leser durch eine sachliche und polyperspektivische Berichterstattung zu einem eigenen Urteil zu animieren.

In Oberschwaben fängt alles an: Wieland in Oberholzheim und Biberach
Christoph Martin Wieland wurde am 5. September 1733 in Oberholzheim in der Nähe von Biberach geboren. Als er drei Jahre alt war, siedelte die Familie nach Biberach über, wo Wielands Vater eine Pfarrstelle antrat. Bereits mit fünf Jahren erhielt Wieland Unterricht im Schönschreiben, mit sieben Jahren dichtete er seine ersten Verse und mit zehn Jahren begann er mit dem Lateinunterricht. Der junge Wieland lernte schnell und zeigte großes Talent. In seinem 14. Lebensjahr wurde er nach Klosterbergen bei Magdeburg auf eine der besten Internatsschulen in Deutschland geschickt. Dieser zweijährige Aufenthalt prägte Wieland für immer: Hier lernte er die wichtigsten Schriften der Aufklärung kennen. Er las gegen das Verbot der Lehrer die Schriften von Voltaire und Chris-tian Wolff sowie Pierre Bayles Historisch-Kritisches Wörterbuch.

Statt Studium der Rechtswissenschaften Selbststudium in der Dichterstube
1749 schrieb sich Wieland an der Universität in Erfurt ein, ein Jahr später studierte er auf Wunsch seines Vaters Rechtswissenschaften in Tübingen. Das Studium wurde jedoch eher zum Selbststudium, denn Wieland blieb den Vorlesungen fern. Stattdessen schloss er sich in sein Zimmer ein und dichtete. Sein erster literarischer Schritt war das Lehrge-dicht Die Natur der Dinge, das 1752 anonym erschien. Der Grundstein für seine schriftstellerische Tätigkeit war damit gelegt.

Wielands Zeit als Kanzleiverwalter in Biberach
Nach Wielands Aufenthalt in Zürich und Bern von 1752 bis 1760 wurde er als Kanzleiverwalter in seine Heimatstadt berufen. Obwohl er sein Amt als Kanzleiverwalter als Kre-ativitätsblockade empfand, entstanden in den Biberacher Jahren zahlreiche bedeutende Schriften. Davon zeugen die Werke Die Geschichte des Agathon, die Verserzählung Musarion sowie zahlreiche Comische Erzählungen. Darüber hinaus übersetzte Wieland in Biberach 22 Dramen von Shakespeare. Im September 1761 kam es in Biberach zur ers-ten deutschen Shakespeare-Aufführung in Deutschland: Wieland war Direktor der evan-gelischen Komödiengesellschaft. Im heutigen Komödienhaus spielte unter Regie von Wie-land das Amateurtheater Shakespeares The Tempest – zu Deutsch: Der Sturm.

Musenhof am Schloss Warthausen
Im Schloss des Grafen von Stadion in Warthausen war Christoph Martin Wieland oft zu Gast. Das Schloss Warthausen wurde in dieser Zeit zum so genannten Musenhof eines kulturellen Kreises. Neben Christoph Martin Wieland verkehrten hier Sophie und Frank von La Roche, Pfarrer Ignanz Valentin Heggelin aus Oberwarthausen, Pater Sebastian Sailer aus Obermarchtal (Verfasser geistlicher Spiele in schwäbischer Mundart) und der Maler Johann Heinrich Tischbein. Die gesellige Runde war von einem aufgeklärten Geist geprägt und diskutierte offen über Religion und Politik. Graf von Stadion und dessen unehelicher Sohn Frank von La Roche waren als Verfechter der katholischen Aufklärung bekannt. In Warthausen nutze Wieland außerdem die Möglichkeit, sich an den Werken der großen Bibliothek des Grafen von Stadion zu bedienen.

Philosophie und Politik in Erfurt
1769 verließ Wieland seine Heimatstadt Biberach und ging an die Universität in Erfurt, wo er als Philosophieprofessor tätig war. Hier entstand Wielands bedeutender politischer Roman Der Goldene Spiegel oder die Könige von Scheschian. Darin beschreibt Wieland seine politischen Ansichten einer guten Regierungsform. Der Roman ist gleichzeitig Wie-lands Empfehlung, um in Weimar zum Prinzenerzieher von Carl August, dem Sohn von Anna Amalia, Herzogin von Weimar, zu werden.

Von Weimar nach Oßmannstedt und wieder zurück
Wieland erhielt den Ruf nach Weimar. In seine Weimarer Zeit fällt auch die Herausgabe der ersten deutschen Kulturzeitschrift Deutschlands – des Teutschen Merkurs. An der Zeitschrift arbeiteten auch Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller mit. 1797 kaufte Wieland ein Gut in Oßmannstedt bei Weimar. Nachdem Wielands Frau verstarb, kehrte der Dichter 1803 bis zu seinem Lebensende nach Weimar zurück.

Wieland-Stiftung Biberach setzt sich für Andenken des Dichters ein
Die 2009 gegründete Christoph Martin Wieland-Stiftung Biberach hat es sich zur Aufgabe gesetzt, das Andenken und die Würdigung des großen Dichters und Denkers aufrecht zu erhalten. Mit zahlreichen Veranstaltungen und Publikationen wird versucht, Literaturliebhaber sowie Schülerinnen und Schüler an das Werk Wielands heranzuführen. Die Stiftung trägt unter ihrem Dach das Wieland-Museum – Wielands ehemaliges Gartenhaus – sowie das Wieland-Archiv. Letzteres ist heute eine international anerkannte Forschungsstätte mit rund 16.000 Bänden. Hier finden sich neben Handschriften Wielands auch zahlreiche Erstdrucke und Gesamtausgaben des Schriftstellers. Das Archiv beherbergt darüber hinaus Sekundärliteratur zu Christoph Martin Wieland und dessen Zeitgenossen sowie eine Sondersammlung der Schriftstellerin Sophie von La Roche und des Komponisten Justin Heinrich Knecht. Eine Besonderheit des Archivs ist Wielands rekonstruierte Handbibliothek.

Wieland-Gartenhaus
Das Wieland-Museum Biberach bietet Gelegenheit, sich auf Wielands Spuren zu begeben. Das Museum ist in Wielands ehemaligem Gartenhaus untergebracht. Hier verfasste der Schriftsteller Großteile seiner Werke wie Musarion oder Idris und Zenide. Der Rundgang durch die Dauerausstellung beginnt im Erdgeschoss des Gartenhauses, das Wieland während seiner Zeit als Biberacher Kanzleiverwalter von 1766 bis 1769 gemietet hatte, um ungestört seiner dichterischen Arbeit nachgehen zu können. Im ersten Museumszimmer wird chronologisch Wielands Leben und Werk mit zentralen Ereignissen aus Politik, bildender Kunst sowie Natur- und Geisteswissenschaft dargestellt. Ein zweiter Museumsraum informiert über Wielands Wirkung in der Literatur-, Musik-, Kunst- und Filmgeschichte. Wielands ehemaliger „Arbeitsraum“ im Obergeschoss des Gartenhauses ist vor allem den in Biberach entstandenen Werken gewidmet. Die Besucher erfahren darüber hinaus auch einiges über Wielands Liebschaften und sein für die damalige Zeit exzentri-sches Privatleben. Im kleinen Gartenhäuschen kann man anschließend hören, wie Arno Schmidt in seinem Radio-Dialog „Wieland oder die Prosaformen“ (1952) das Leben des Dichters inszeniert hat.

Höhere Bildung in Biberach: Ein historischer Rückblick

Geschichte des Wieland-Gymnasiums

Wieland-Gymnasium wird “Jugend forscht” Schule Deutschlands

In Lübeck wird das WG als Jugend forscht Schule ausgezeichnet. “Championship” für alle Forscher an der Schule. Auf dem Bild: Susanne Braig und Daniela Bernlöhr bei der Auszeichnung.

Ministerin Schopper besucht WG

Nach der Renovierung findet 2022 ein kleiner Festakt mit Ministerin Theresa Schopper (auf dem Bild neben den Bürgermeistern Miller und Kuhlmann) in der Aula statt.

Größte Sanierung seit dem Bau

Beginn umfassender Renovierungsarbeiten (geschätztes Investitionsvolumen über 14 Millionen Euro). Der Umbau dauert bis Ende 2020.

Ralph Lange wird Schulleiter

Schulleiter Wolfgang Schott wird in den Ruhestand verabschiedet. Sein Nachfolger Ralph Lange tritt am 1. August sein Amt an.

Wolfgang Schott wird neuer Schulleiter

Dr. Hanno Wulz tritt nach fast 16 Jahren den Ruhestand an. Neuer Schulleiter wird  Wolfgang Schott.

Neu- und Umbau

Das Schulgelände wird durch zahlreiche Um- und Neubauten von 2006 bis 2009 auf den offenen Ganztagesbetrieb eingestellt. Eine Mensa, eine Mediothek und weitere Gebäude entstehen. Auf dem Bild ist der B-Bau zu sehen.

Dr. Hanno Wulz wird Nachfolger von Joachim Herbst

Oberstudiendirektor Joachim Herbst tritt in den Ruhestand, nachdem er die Schule über 20 Jahre lang geleitet hat. Dr. Hanno Wulz wird neuer Schulleiter des Wieland-Gymnasiums.

Erste Donaufahrt

Die Donaufahrt wird von Herrn Georgii (auf dem Bild) und Herrn Dietle ins Leben gerufen. Die „Pionierfahrt“ findet in den Sommerferien von Ulm nach Wien statt.

Skandal um “Venceremos”

Die erste Ausgabe der Schülerzeitung “Venceremos” erscheint. Die umstrittenen Aufklärungszeitschriften bewegen ganz Deutschland.

Umzug
Umzug

Umzug aus dem Ochsenhauser Hof und Zeughaus in den Neubau in der Adenauerallee.

Die Funzel als eine der ersten Schülerzeitungen

Die erste Schülerzeitung erscheint. In ihr wird zur Namensfindung aufgerufen. Damit war die Funzel als eine der ersten Schülerzeitungen Deutschlands geboren.

Nachkriegszeit: Wieland-Gymnasium

Am 10. Oktober 1945 benennt die französische Militärregierung drei Biberacher Schulen um, darunter auch unsere. Aus der “Hans Schemm Schule” wird die Pflugschule, aus der “Herbert Norkus-Schule” die Braithschule und aus der “Horst Wessel-Oberschule für Jungen (Gymnasium)” die Wielandschule. Später wird aber die Bezeichnung Wielandgymnasium oder Wieland-Gymnasium verwendet.

Umbenennung im Nationalsozialismus

Umbenennung in Horst-Wessel-Oberschule für Jungen nach dem Bielefelder SA-Sturmführer Horst Wessel, der 1930 an einer von einem Kommunisten zugefügten Verletzung erlag und darauf von der nationalsozialistischen Bewegung zum Märtyrer stilisiert wurde.

Bild: Oberschwabentag der NSDAP 1939

Vollanstalt

Unsere Schule, die damals den Namen Progymnasium und Oberrealschule mit städtischen Oberklassen trug, wird Vollanstalt, d.h. die ersten Abiturienten legen ihre Reifeprüfung ab.

Professoratsschule

Thaddäus Plazzary begründet die sogenannte Professoratsschule im heutigen Alten Wieland-Gymnasium.

Erste urkundliche Erwähnung

Erste urkundliche Erwähnung eines lateinischen Schulmeisters in Biberach: „Bertholdus doctor puerorum“. Auf ihm beruht die Tradition unserer Schule.